In den tiefen Wäldern des Piemonts bin ich auf Wesen gestossen, von denen wohl nur den Wenigsten ihre Existenz bekannt sein dürfte.

Die Beschreibungen und Erlebnisse dieser Wesen auf Papier zu bringen, gestaltet sich äusserst knifflig. In Gesprächen mit meiner Schwester Augusta erwäge ich sogar, sie darum zu bitten, meine Erzählungen und Beobachtungen in Zeichnungen zu verewigen – wenn es jemand vermag, dann sie.

Doch fotografieren? Ein nahezu unmögliches Unterfangen! Ob es wohl Fotofallen für winzige Zwerge von gerade mal vier Millimetern gibt?

Bei uns werden sie oft als Fabelwesen bezeichnet, doch sind sie wirklich nur Produkt der Fantasie? Ich habe beschlossen, diesen zauberhaften Wesen den Namen «Trichterschreihälse» zu verleihen.

Ein Duft, der unsere Aufmerksamkeit weckt, während wir da sind, doch auch andere existieren hier. Wesen, die in einer anderen Sphäre existieren, zu der unser Zugang begrenzt ist. Diese kleinen Geschöpfe nutzen die winzigen Trichterpilze als Kanzel. Mit einem Durchmesser von nur zwei bis maximal fünf Millimetern tun sie so, als würden sie von dort oben predigen. Doch bei unachtsamem Verhalten könnten sie leicht herunterfallen. Und wenn eines von ihnen herausfällt, ist es der einzige Moment, in dem das ohrenbetäubende Durcheinander für unsere Ohren unterbrochen wird. Die ganze gesellige Gesellschaft platzt in ein glasbrechendes Gelächter aus. Selbst die Fledermäuse drehen abrupt ab, und selbst eine gut genährte Motte kann sich vor diesem Lachen kaum retten.

Aber wie es begann, endet das Gelächter, und die euphorischen Erzählungen setzen fort. Erstaunlicherweise oder besser gesagt unverständlicherweise hat keiner der Schreihälse den Faden verloren – sie machen einfach weiter, als wäre nichts passiert. Dass das herausgefallene Geschöpf wieder versucht, auf seine Kanzel zu klettern, interessiert niemanden mehr.

Mein vorzeitiges Schadenfreudegefühl war wohl verfrüht. Wenn es wieder drinnen ist, was wahrscheinlich kaum mehr als einen Wimpernschlag dauert, schreit es weiter im Chor, wenn ich richtig liege, sogar etwas schneller, um den verlorenen Erzählungsfortschritt aufzuholen. Ihre Kanzeln sind bei Tageslicht kaum sichtbar, es sei denn, man bückt sich, um ein paar Kastanien aufzuheben und das Licht wirkt günstig.

Diese Trichterschreihälse tragen ihren Namen von mir zu Unrecht, denn sie wollen nur ihre nächtlichen Erfahrungen miteinander teilen. Aber es sind zu viele, die genau dasselbe tun wollen, und jeder von ihnen will das wichtigere Erlebnis hervorheben. Ihr Zeitfenster ist zu kurz für eine geordnete Versammlung ihrer Erlebnisse, denn der Morgen beginnt zu dämmern, die Nacht verschwindet im Schlaf, und der neue Tag bricht an. Diese Trichterpilze sind dann wieder einsam und verlassen, und nach zwei bis drei Nächten ist es mit ihnen vorbei. Was passiert danach?

Diese Trichterschreihälse haben keine richtigen Beine, sie sehen eher wie kleine Sprungfedern aus. Genau deshalb müssen sie in ihrer Euphorie behutsam sein. Aber sie haben winzige, quirlige Hände, mit denen sie sich am Rand ihrer Kanzel festhalten können. Je nachdem, wie aufgeregt sie sind, erhält ihr kleiner Körper eine Eigendynamik, und sie beginnen zu hüpfen – so bewegen sie sich wahrscheinlich auch fort, indem sie hüpfen. Daher kann es gut sein, dass der eine oder andere herausfällt. Diese Scham und Pein wollen sie nicht erleben.

Wo die Trichterschreihälse tagsüber leben, ist nicht eindeutig geklärt. Wir wissen auch nicht, ob sie Einzelgänger oder Gruppenwesen sind. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie höchstens in kleinen Gemeinschaften leben, dabei aber ruhig und entspannt sind. Schliesslich möchten sie in der nächsten Nacht ihre Erfahrungen und Geschichten erneut teilen. Die Zeitspanne vom Verschwinden der Nacht bis zum Morgengrauen ist so kurz und intensiv, dass Ruhe für den Rest des Tages angesagt ist.

Ihr seht, liebe Leser, dass ich eine Kiste geöffnet habe, keine Pandora, sondern eine Kiste, die mich noch lange beschäftigen wird, um Ihnen einen umfassenden Einblick in die Ereignisse eines tiefen Waldes zu vermitteln.

Aber ihr müsst nicht den Wald suchen, der Wald öffnet sich euch von selbst, wenn ihr die Botschaften sehen könnt, die er euch zeigen möchte. Wie es auch in der Bibel heisst: «Wer sehen will, der sieht.»